Ein digitales Erbe:

Wie Uwe Hesse und ich dem Starlight Express einen Zauber hinzufügten

Manchmal, wenn ich sehe, wie meine Tochter in Echtzeit den Hintergrund ihres Video-Calls entfernt, muss ich schmunzeln. Was heute eine Fingerbewegung auf einem Smartphone ist, war vor nicht allzu langer Zeit eine aufwändige Kunst. Eine Kunst, die Planung, Leidenschaft und visionäre Partner erforderte.

Diese Erinnerung kam kürzlich wieder hoch, als ich in meinem Archiv stöberte. Sie führt mich zurück in das Jahr 2011, in eine Edit-Suite in Düsseldorf und zu einem Mann, der meine Art zu arbeiten für immer prägen sollte: Uwe Hesse.

Uwe sprach mich damals an. Er hatte eine Anfrage von Martina, einer Koordinatorin vom Starlight Express in Bochum. Die Idee war ebenso spannend wie diffus: Das Musical sollte im Foyer um eine digitale Attraktion erweitert werden. Hochkant stehende LCD-Panels, auf denen die Charaktere lebendig werden, hereinrollen die Magie unserer Zusammenarbeit. Uwe war der Designer, der Visionen in technisch präzise, umsetzbare Pläne übersetzen konnte. Ich war der, der diese Pläne in Geschichten, Metaphern und Bildern dachte. Aus der diffusen Idee webten wir gemeinsam eine klare Vorstellung. In einem kreativen Ping-Pong aus Beschreibungen, Skizzen und Keyframes entstand das fertige Erlebnis bereits vor unserem geistigen Auge.

Die zentrale Frage von Uwe an mich war: Können wir das stemmen? Wie lange wird die Produktion dauern.
Schaffen wir die Abgabe innerhalb der Deadline.

Man kann nicht exakt auf die Stunde genau sagen, wie lange es dauern wird.
Aber man kann den optimalen Flow planen, für mögliche Verzögerungen einen Puffer einplanen und das Risiko abschätzen.

Man kann auch aus dem Wissen über Renderzeit von ähnlichen Animationen die benötigte Zeit und die Rechenpower kalkulieren. Man kann die Renderzeit klar kürzen, in dem man Nodes zu einem Cluster verbindet und Renderjobs verteilt.
Eine weitere Workstation dazuholen und korrupte Ergebnisse auslagern.

Dann begann das Reverse Engineering: Um dieses Ziel zu erreichen, mussten wir ganz von vorn anfangen.

Das finale Bild sollte den Charakter, losgelöst und frei von jedem Hintergrund, zeigen. Heute ist das ein Standard-Feature in jeder App. 2011 war es High-End-Compositing in der Postproduction.

Die Kalkulation war ein Abenteuer für sich:
Ein mobiles Greenscreen-Studio musste im Bochumer Theater aufgebaut werden. Jede Lichtquelle musste perfekt sitzen, denn jedes der aufwändigen Kostüme absorbiert und reflektiert Licht anders. Die Filmaufnahmen erforderte höchste Konzentration – Fehler waren absolut tabu. Es gab keine zweite Chance, kein “Wir bauen morgen noch mal auf”. Das Studio wurde für diesen einen Tag angemietet, aufgebaut, genutzt und wieder abgebaut.
Eine radikale Take-Begrenzung, denn die Ausleuchtung eines Screens erzeugt sehr viel Wärme.
Darsteller in Eisenbahnkostümen, stark geschminkt. Die Aufnahme muss im Kasten sein, bevor die Schweißperlen rollen.

Doch die Arbeit mit Uwe war von einer solch klaren Vorbereitung geprägt, dass alles reibungslos lief. Alles war durchdacht, alles war im Voraus prototypisiert. Nach erfolgreichen Aufnahmen ging es zurück nach Düsseldorf, zu INIMA.

Aus den Skizzen und Keyframes erwachten schließlich die Grafiken und bewegten Bilder zum Leben. Mein Ansatz war, ein prozedurales und generatives Animations-Template zu entwickeln. Dieses Custom-Template war so konzipiert, dass es für jeden weiteren freigestellten Charakter als Grundgerüst diente und nur noch feinjustiert werden musste – effizient und dennoch voller individueller Magie.

Nun ist es fast 14 Jahre her. Uwe ist leider viel zu früh von uns gegangen. Doch er hat mir ein Erbe hinterlassen, das ich verinnerlicht habe: Diese ganzheitliche Sicht auf ein Projekt, die symbiotische Verbindung von Design und Technik, von Vision und Umsetzung. Uwe stellte immer die zentralen Fragen – an sich selbst, an mich, an jedes Projekt: “Was ist der Kern? Für wen machen wir es? Wie schaffen wir echte Magie?” Diese Fragen sind zu einem festen Anker in meinem Unterbewusstsein und meinem täglichen Schaffen geworden.

Aus unserer gemeinsamen Zeit habe ich nicht nur sehr viel mitgenommen; ich trage dieses Erbe im Sinne Uwes weiter und treibe es voran.

Ab und zu reflektiere ich diese Erlebnisse. Und diese Erfahrung, diese kreative Partnerschaft für eines der großartigsten Musicals der Welt, gehört mit Sicherheit in meine persönliche Ahnengalerie.

Wir haben damals dazu beigetragen, das Erlebnis für die Fans bereits im Foyer zur Attraktion zu formen. Wir durften ein grandioses Spektakel verstärken. Und ich durfte von einem Grandseigneur des Designs lernen. Danke, Uwe.