Teill2: Die stille Gefahr


(Freunde im Dialog)


Ich (lehnt sich vor, die Stimme ruhig, aber fest):
„Insulin ist kein Luxus. Es ist buchstäblich das Molekül des Lebens für Millionen.
Eine einzige verpasste Dosis – und binnen Stunden kann es kritisch werden: Ketoazidose, Koma, Tod.
Und doch: In den USA ist Insulin zum Spielball von Algorithmen geworden.“

Freund 1 (runzelt die Stirn):
„Wie meinst du das? Algorithmen und Insulin – das klingt nach zwei Welten, die nichts miteinander zu tun haben sollten.“

Ich:
„Sollten, ja. Aber die Realität sieht anders aus. In den letzten Jahren gab es dort immer wieder Engpässe. Lieferkettenprobleme, Produktionsstörungen, dazu ein Markt, der von wenigen großen Pharmakonzernen dominiert wird – die Preise steigen seit Jahren. Schon das allein ist ein Problem.
Doch dann kamen die Skalper – und ihre Bots.“

⟦ EXPLORATION ⟧

Warum Insulin nur ein Beispiel ist:
- Knappheit + Nachfrage + Technik → immer verwundbar.
- Gleiches Muster bei Adrenalin-Pens, Krebsmedikamenten, selbst Toilettenpapier in der Pandemie.

Freund 2 (neugierig, aber ungläubig):
„Also dieselben Bots, die bei Konzerttickets oder Sneakern alles leer kaufen?“

Ich (nickt):
„Genau die. Nur dass es diesmal nicht um Luxus geht, sondern um Leben.
Diese Programme scannen permanent Online-Apotheken, Großhändler, sogar Versicherungsportale. Sobald irgendwo ein Vorrat auftaucht, schlagen sie in Millisekunden zu. Menschen haben keine Chance, so schnell zu reagieren. Ganze Bestände werden auf einen Klick leergefegt.“

⟦ FAKTENCHECK ⟧

- Durchschnittspreis Insulin in den USA: 300 $ pro Fläschchen
- 1,3 Mio. Diabetiker berichteten 2019 über Rationierung
- Bots dokumentiert im Einsatz: Ticketing, Sneaker, Medikamente

Freund 1 (fassungslos):
„Und die Patienten? Bleiben einfach ohne?“

Ich:
„Noch schlimmer: Die aufgekauften Dosen tauchen wieder auf – auf eBay, in Facebook-Gruppen, im Darknet. Zu Preisen, die das Zwei- bis Zehnfache betragen. Schon der Normalpreis war hoch, aber das hier ist Wucher.
Und dazu kommen Risiken: unsachgemäße Lagerung, gefälschte Ware, abgelaufene Chargen. Die Patienten wissen das – und kaufen trotzdem, aus Verzweiflung.“

Freund 2 (leise):
„Das heißt … manche können es sich gar nicht mehr leisten.“

Ich (atmet tief durch):
„Genau. Viele rationieren ihr Insulin. Sie spritzen weniger, lassen Dosen aus. Der Körper reagiert brutal: Blutzucker außer Kontrolle, Nervenschäden, Nierenversagen. Kurzfristig droht die diabetische Ketoazidose – ein Notfall, der Intensivmedizin braucht.
Und ja: Es gab Krankenhauseinweisungen, es gab Todesfälle. Jede Statistik verbirgt Gesichter, Familien, Tragödien.“

Freund 1 (schüttelt den Kopf):
„Das ist doch mehr als ein Marktversagen. Das ist ein Abgrund.“

⟦ THESE ⟧
Algorithmen sind nicht neutral – sie übernehmen die Ethik derer, die sie einsetzen.

⟦ FAKTENCHECK ⟧
Im Medikamentenhandel führte Bot-Skalping zu leeren Regalen, Preisexplosionen und rationiertem Insulin.

Ich:
„Genau. Hier kollidieren zwei Welten: Auf der einen Seite das Recht auf Gesundheit, auf Leben. Auf der anderen Seite eine kalte Marktlogik, die Knappheit als Chance begreift.
Und die Bots? Sie sind nur Werkzeuge. Neutral programmiert, aber eingesetzt, um Schwächste auszubeuten. Algorithmen, die über die Verfügbarkeit eines Überlebensmittels entscheiden.“

Freund 2 (mit leiser Wut):
„Also nicht nur ein technisches Problem, sondern ein systemisches.“

⟦ EXPLORATION ⟧

Warum ein Bot-Leerkauf von Insulin in Deutschland nicht passieren kann:

- In Deutschland ist Insulin verschreibungspflichtig.

- Online- und Vor-Ort-Apotheken dürfen Insulin nur nach Vorlage eines gültigen Rezepts abgeben.

Damit entfällt die Möglichkeit, dass Bots automatisiert Vorräte „wegräumen“, wie es in den USA geschehen ist.

Selbst bei Engpässen entstehen Knappheiten hier durch Lieferketten- oder Produktionsprobleme, nicht durch digitale Raubzüge.