Souveränität ist Risikomanagement

1. Die Cloud ist ein Werkzeug

Digitale Souveränität ist keine Kampfansage an Hyperscaler. Das Gegenteil ist der Fall: Die Cloud ist ein hochpotentes Werkzeug, eine Resilienz- und Redundanzgarantie.

Edge-Computing und lokale Absicherung ist keine Obsession für Hardware, sondern die bewusste Absicherung eines Unternehmens gegen fremdbestimmung und unkontrollierten Infrastrukturentzug.

2. Souveränität bedeutet Kontrolle

In der Logistik (GüKG) käme niemand auf die Idee, seine gesamte Betriebserlaubnis von einem einzigen Infrastruktur-Anbieter abhängig zu machen, ohne einen Notfallplan in der Schublade zu haben. Souveränität in der IT-Architektur bedeutet:

  • Selbstbestimmung
  • Kontinuität
  • Kontrolle
  • Verantwortung

3. Das GRC-Argument: Vertraulichkeit und Schutz

Als Architekt ist es ihre Aufgabe, Trade-offs aufzulösen. Die Cloud bietet Skalierbarkeit (Pro), aber sie erhöht oft die Intransparenz der Datenwege (Contra).
Die uns anvertrauten Daten unserer Kunden unterliegen absoluter Vertraulichkeit.
Die Daten unserer Wirtschaft und unserer Unternehmen benötigen Schutz.
Der Störungsfreie Betrieb muss jederzeit gewährleistet sein.

4. Notwendigkeit

Wie kann Technik denn neutral sein, wenn der Zugang geopolitisch entschieden werden kann. Was in der Theorie formuliert wird, kommt in der Praxis zum Einsatz.
Wenn ein Cloudanbieter der Jurisdiktion eines Drittlandes untersteht und Unternehmen das Thema Sicherheit auf die Extreme eines Totalausfalls ausrichten, dann ist hier bereits eine deutliche Divergenz erkennbar.

Sie erkennen hier doch den Widerspruch:

Gegen einen technischen Ausfall haben Sie sich gewappnet, aber gegen einen politisch diktierten Ausfall ist Ihr Unternehmen machtlos.

5. Wenn Infrastruktur zur Waffe wird: Den Haag

Auch Sie haben sicherlich die Nachrichten um den IStGH-Chefankläger Karim Khan und den Richter Jean-Pierre Guillou mitbekommen.

Die Sperrung privater Konten und der Entzug digitaler Identitäten als Reaktion auf unliebsame juristische Ermittlungen zeigt das mögliche Risiko.
Fest steht: Wer die Infrastruktur kontrolliert, kontrolliert den Zugang und die Existenz.

Wer sich in die Abhängigkeit begibt, geht ein vermeidbares, systemisches Risiko ein.

6. Das Risiko

In meinem Verständnis ist das ein “Worst-Case”-Trade-off. Wer seine gesamte Prozesslogik und Datenintegrität ausschließlich in die Hände eines fremdbestimmten Cloud-Ökosystems legt, muss das Risiko in Kauf nehmen.

Die Fälle Khan und Guillou sind keine Einzelschicksale, sondern ein Warnsignal für Unternehmen:

Die Möglichkeit, politisch in Missgunst zu fallen, ist real. Auch wenn ihre Unternehmenspolitik heute auf einer Linie mit der Welt ist und für Sie fest steht, es wird sich auch niemals ändern, bedeutet Risikomanagement, mögliche Brüche zu bedenken, die Sie nicht kontrollieren können.

Sie haben keinen Einfluss darauf, ob und wann sich die Normen Ihres Gegenübers politisch motiviert verschieben.

Worst-Case:
Wir schnallen uns an, beachten die Verkehrsregeln, fahren defensiv, aber wir haben keinen Einfluss auf das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer.

Übertragen auf IT Governance heißt das: Selbst wenn ihr Unternehmen kein Risiko darstellt, kann ihre Abhängigkeit von einem Anbieter, ein Existenzrisiko für Ihr Unternehmen bedeuten.

7. Mythos der Rückkehr

In der aktuellen Diskussion wird oft suggeriert, digitale Souveränität bedeute Cloud-Ausstieg und Cloud-Ausstieg bedeute Eintritt in Fragmentation.

Das ist irreführend. Denn Fragmentation ist in der Tat Rückschritt. Es ist das Verkennen der Realität. Allerdings gehört diese Implikation nicht in Architektur Entscheidungen sondern zum Marketing eines System Hauses.

Cloud-Pflicht sollte man nicht totalitär, sondern komplementär sehen.

Richtig: die Hybrid Lösung.

Komplementäre Cloud-Souveränität: Skalierung unter deutscher Jurisdiktion

Ich betrachte die Cloud nicht als Option, sondern als ökonomische Pflicht, lehne jedoch ihre totalitäre Vereinnahmung ab. Wahre Souveränität entsteht durch eine komplementäre Architektur: Während die Cloud die globale Rechenpower liefert, bleibt die geschäftskritische Logik (GRC-Struktur) als autarkes Modul unter deutscher Jurisdiktion physisch und rechtlich kontrollierbar. Da technische Sicherheit (Verschlüsselung) wertlos ist, wenn die rechtliche Basis wegbricht, ist Datenhoheit für mich kein technisches Feature, sondern ein GRC-Mandat: Wir nutzen die Effizienz der Cloud, behalten aber die Bedeutungshoheit und den „Kill-Switch“ dort, wo die Haftung liegt – in Ihrer Hand und unter Ihrem Recht.

Bild zur veranschaulichung echter redundanter souveränität

Fazit: Risikomanagement statt Technik-Fetisch

Digitale Souveränität ist kein Selbstzweck..Sie ist die logische Konsequenz eines professionellen Risikomanagements.

Die Formel ist simpel: jurisdiktionelle und logistische Redundanz. Das ist kein Idealismus.
Das ist Architektonischer Realismus.