Theopraktilogischer Anwender


Ich bin Anwender von Stunde 0.
Mit 12 Jahren erhielt ich einen Commodore 16. Was ich nicht wusste: Es gab schon den C64.

Aus Mangel an Spielen und der Neugier öffnete mir Basic 1988 den Weg zur Logik sehr früh.
Heute kennt jeder den Begfriff ‘Trial and Error’, den einfachsten aller Lösungsansätze.
Der Grundstein der Problemlösung aus dem Ungewissen heraus.

Kein Internet, keine Foren. Die Zeit der Fachbücher und Zeitschriften.
Computer AG´s fangen heute viel früher an.
Also lernte ich Basic als Autodidakt. C16, C64, Amiga 500.
Mit dem Amiga kam der Sound, durch einen Sampler kam Erweiterung der Sounds.
Mit einem Keyboard mit stufenweiser Frequenzfilterung kamen Klangwelten in den Amiga.
Dann kam das Studio mit Midi und CC, der Atari ST und Falcon.

Das Studio war eine logische Konsequenz. Der Amiga hatte die Tür zur Klangerzeugung aufgestoßen, aber um wirklich zu komponieren, brauchte es mehr Kontrolle, mehr Spuren, mehr Präzision.

Der Atari ST und später der Falcon wurden die Zentrale dieser Operation. MIDI war die Offenbarung – eine universelle Sprache, die alle Geräte verband. Der Computer war nicht mehr nur Klangerzeuger, er war der Dirigent. Ein Steuermann, der die Befehle an die einzelnen Instrumente – die Soundmodule, Sampler und Keyboards – verteilte.

CC, die Continuous Controller-Daten, wurden zum Feinwerkzeug. Damit ließ sich nicht mehr nur eine Note ein- und ausschalten, man konnte den Klang live formen: den Filter öffnen, die Lautstärke anpassen, einen Hall hinzumischen. Es war der Unterschied zwischen, einen Schalter umzulegen und einen Regler ganz langsam zu drehen.

Das Studio war kein fertiges Produkt. Es war ein Puzzle aus Komponenten, die zusammenfinden mussten. Die Herausforderung war nicht mehr nur die Software auf einem einzelnen Computer, sondern die gesamte Kette: Vom MIDI-Kabel, das selbstgelötet sein wollte, über die Konfiguration der Geräte auf den richtigen Kanälen bis hin zur akustischen Isolation des Raumes.

Jedes neue Gerät war ein neues System, dessen Logik es zu verstehen galt. Der Sampler hatte seine eigene Arbeitsweise, der Synthesizer seine eigene Architektur. Es ging nicht mehr nur um Codezeilen, sondern um die Übersetzung zwischen verschiedenen technischen Ökosystemen.

Der Schritt von der Programmierung zur Musik war fließend gewesen. Beide beruhten auf Logik und Struktur. Der Aufbau des Studios war der nächste Schritt: die Anwendung dieser Logik auf die physische Welt. Es war angewandtes Systemdenken, lange bevor man diesen Begriff kannte.

1997 kam der PC als Steuerzentrale. Mein Leben wurde immer begleitet von Familie, Musik, Logik und Technik.

Ich bin kein Theoretiker, der ein Konzept erdacht und dann angewendet hat.
Kein reiner Anwender. Kein Praktiker. Kein Philosoph. Kein Träumer.
Wenn Schublade, bin ich ein Theopraktilogischer Anwender.

Aber der Anwender steht an erster Stelle. Der Anwender, den jedes Problem als erstes addressiert.
Verstehen wir es richtig, und ja, genau so ist es gemeint.
Das Problem addressiert den Anwender. Nicht der Anwender addressiert das Problem an…

Kleines Beispiel:
Eine miese UX durch eine miese UI:
Das Problem addressiert also den Anwender. Anwender ist Addressat nicht Addressierer.

Ein Buch ohne Inhaltsverzeichnis:
Ist das Problem des Lesers.

Meine Denkweise ist grundverschieden. Nicht geplant, nicht gesetzt.
Der Ansatz zur Lösung steht also irgendwo ganz am Ende einer Reise. In der Perspektive, die man nach der Reise einnehmen muss.

Die jetzt in meinem Kopf vorhandene Wahrheit:
Wenn der Verursacher des Problems letztlich auch derjenige sein wird, der dieses Problem aus der Welt schaffen wird,
dann müssen wir uns doch eingestehen:
Die Lösung einer Anforderung ist nur schwer als Ziel vermittelbar, wenn die Anforderung nur an ein Ziel fixiert wird.
Und nur den Weg zum Ziel als Lösung sieht.

Für mich ist die Loslösung der semantischen Ebene ein akzeptabler Schritt.
Die Semantik sagt: Anwender!
Die Szene sagt: Holistiker
Das Problem sagt: Problemlöser
Dev sagt: Entwickler

Die Wahrheit versammelt aber metaflorativ alle standpunkte und sagt:
Sehe den Punkt. Exploriere die Möglichkeiten. Abstrahiere und Kombiniere.

Es geht nicht darum, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Es geht darum, seine Synapsen auf die Probe zu stellen.
Seine Grenze zu kennen und an der Grenze zu flanieren. Nicht gehen, nicht stehen und auch nicht entlanglaufen.

Nun ist lässt der Ausdruck ‘Abstraktion’ schon Raum für ‘Abstraktion’
Deswegen ein konkretes Beispiel von vielen möglichen Erklärungen:

Beispiel:
1. Nehme die gezielte Anforderung als Challange
2. Betrachte die Anforderung holistisch.
3. Exploriere diese Gerade und abstrahiere: rotiere Sie an der mittelachse um 90° oder verdopple und versetze es parallel
4. Entdecke durch Entfaltung der Anforderung Addressaten, Bedürfnisse und neues Potenzial

Ich nehme also eine Anforderung. Diese besteht aus einem Anfangspunkt und einem Endpunkt.
Exploriere simpel was kann es sein?
Es ist in meinem Kopf eine klare geometrische Form: Linie mit Anfang und Ende.
Sie ist eine Verbindung. Sie ist der Prototyp eines Weges.

Aber die Linie beinhaltet auch Das Problem, die Anforderung und zeigt den Weg zur Lösung.
Das Ende könnte das Ziel sein.

Also haben wir schon ganz einfach abstrahiert.
Problempunkt wird zur Linie, Linie besteht aus
Problem, Lösung, Ziel, alle drei zusammen sind Anforderung.
Die Anforderung stellt Addressat, Bedarf, Angebot
Wir explorieren entweder weiter oder abstrahieren mit dem Bedarf als Mittelpunkt der Linie und drehen
den Spieß in eine andere Richtung, oder ziehen es in eine weitere Dimension.

Halt, wir haben ja nicht “dupliziert”, richtig. Abstraktion braucht Raum und Freiheit.
Das bedeutet für mich: Wie wundervoll, den Schritt der Duplikation konnten wir also schon beim zweiten Anlauf völlig aus der Meta
oder aus dem FF.

Ganz egal ist also der Ansatz, wo man in ein Problem einsteigt und welche Betrachtungsweise man nun auch bevorzugt.
Abstraktion ist der Schlüssel zur Kombination. Und mit dem Aufschließen der Kombination wird Metafloration erzeugt.

Das ist eine befreiende Erkenntis, ich beschreibe nicht einen Ersatz für ein vorhandenes Prinzip oder eine Destruktion einer Betrachtungsweise.
Die Betrachtungsweise ist nur die erste, vorläufige Linse. Der Holistiker, der Anwender, der Entwickler – sie alle liefern eine gültige, aber partielle Wahrheit. Die Metafloration macht sich diese Partialwahrheiten zunutze, ohne sich von einer einzigen vereinnahmen zu lassen.

Und ja, ich bin holistisch, ganzheitlich und systemlogisch. Und in der Entwicklung / Evolution gibt es keinen Endpunkt.
Metafloration ist ein Ansatz, eine Methode, eine Denkweise oder ein Prozess.
Es ist kein Produkt, eher ein Chemischer Prozess höherer Ordnung oder eine zweite Natur.

Das ist einfach nur mein Begriff für: Die Lösung ist nicht das Ziel. Und Holistisch nicht das Ende der Fahnenstange.

Murat Arici